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Das Leben und Sterben des hl. Sebastian böte ausreichend Stoff für einen spannenden Historienfilm oder sogar für einen Krimi. Er stammte aus Mailand, wurde Soldat, römischer Legionär. Als solcher kam er nach Rom und machte dort Karriere. Die Leibgarde des Kaisers, die sog. "Prätorianer" wurden seinem Befehl unterstellt. Auf diese Prätorianer musste sich der Kaiser verlassen können, denn mehr als einmal haben die Prätorianer einen Kaiser gestürzt und einem Herrscher ihres Vertrauens zum Thron verholfen. Kaiser Diokletian (er lebte an der Wende vom 3. zum E. Jahrhundert) hatte vollstes Vertrauen zu Sebastian. Auf ihn konnte er sich verlassen. Er war weder ein Spieler noch ein Säufer. Von Frauengeschichten hörte man nichts. Diokletian hatte keinen Grund, an der Loyalität des Kommandanten zu zweifeln bis zu dem Tag, als der Geheimdienst herausgefunden hatte, dass Sebastian ein Christ war.

Kaiser Diokletian sah in den Christen eine ernste Bedrohung des Römischen Reiches; deshalb verfolgte er sie mit aller Härte. Todesurteile waren an der Tagesordnung. Es war für ihn ein Alarmzeichen, dass der Kommandant seiner Prätorianer ein Christ war. Würde er sich an die Spitze einer Revolution stellen? Der Kaiser wollte keine Stunde länger sein Leben einem christlichen Prätorianer anvertrauen. Sebastian wurde verhaftet, verhört, zum Tod verurteilt. Numidische Scharfschützen sollten mit ihren Pfeilen das Todesurteil vollstrecken. Durchbohrt von einem Hagel von Pfeilen sank Sebastian zu Boden. Man hielt ihn für tot. Das Todeskommando zog ab. Christen kamen, um den Leichnam zu bestatten.

Eine Witwe namens Irene stellte allerdings fest, dass kein Pfeil Sebastian tödlich getroffen hatte. Sebastian hatte die Hinrichtung schwer verletzt überlebt. Irene pflegte den Schwerverwundeten, Sebastian erholte sich. Statt aber in stiller Abgeschiedenheit das neu geschenkte Leben zu genießen, machte er sich auf den Weg zu Kaiser Diokletian. Alle hielten den Atem an, als der Totgeglaubte im kaiserlichen Palast auftauchte und beim Kaiser vorsprechen wollte. Es gelang dem Ortskundigen, bis in die Gemächer des Kaisers vorzudringen. Was er dem Kaiser genau sagte, wissen wir nicht, aber Diokletian sorgte auf der Stelle dafür, dass Sebastian kein zweites Mal dem Tod entrinnen konnte. Mit Knüppeln schlugen Bedienstete des Kaisers auf dessen Befehl Sebastian nieder. Sie schlugen so lange auf ihn ein, bis sie sicher waren, dass er nun endgültig tot war. Man warf seinen Leichnam in die cloaca maxima, die stinkende Abwässeranlage der Stadt Rom. Wieder waren es Christen, die den Leichnam bargen und ihn würdig in den Katakomben bestatteten. Die unterirdische Grabanlage an der Via Appia Antica, in der er beigesetzt wurde, trägt bis heute seinen Namen.

Liebe Schwestern und Brüder, sicherlich eine interessante, eine bewegende Geschichte. Aber hat sie uns heute noch etwas zu sagen? Uns hier in Unterdürrbach, die wir den hl. Sebastian als Kirchen- patron verehren? Sebastian hat das getan, wovon die heutige Lesung gesprochen hat: Er hat Rede und Antwort gestanden, er hat Zeugnis gegeben von der Hoffnung, die ihn als glaubenden Menschen erfüllt und getragen hat. Für seine Überzeugung, für diese tragende Hoffnung ist er in den Tod gegangen. Er hat Ernst gemacht mit seinem Glauben, buchstäblich bis zum letzten Atemzug. Da könnte man doch einwenden: Nach menschlichem Ermessen muss doch keine(r) von uns befürchten, wegen seines Glaubens das Martyrium erleiden zu müssen. Aber schauen wir genauer hin! "Martyria", Martyrium meint in der ursprünglichen Bedeutung des Wortes "Zeugnis", Lebenszeugnis.

Ein Märtyrer ist also ein Zeuge, ein Glaubens- und Lebenszeuge! Und ist der Einsatz für den Glauben, das Glaubenszeugnis nicht auch von uns gefordert, gerade heute, in einer völlig anderen Zeit, unter völlig anderen Umständen? Und das ist - geben wir es ruhig zu - nicht leicht. Was macht es uns oft so schwer, von unserem Glauben Zeugnis abzulegen?

Da ist einmal die Unsicherheit, die ehrliche Zeugen dem gegenüber verspüren, was sie zu bezeugen haben. Jeder Lehrer, der seine Schüler mag und seine eigenen Grenzen kennt, wird sich immer wieder fragen: Ist der Schüler so, wie ich ihn im Zeugnis durch meine Noten festlege? Werde ich ihm wirklich gerecht? Jeder selbstkritische Unfallzeuge weiß, wie schnell man etwas vergessen oder falsch gesehen hat und wird sich sorgsam prüfen, bevor er Aussagen macht, die für andere entscheidend sind. Glaubenserfahrungen, Glaubensüberzeugungen sind nun aber immer etwas sehr Persönliches. Da bin ich auf mich selber als Gewährsmann oder -frau angewiesen. Da kann ich mich nicht ohne weiteres durch andere absichern. Da muss ich selber für das einstehen, was ich erfahren habe und bezeuge. Zudem: Wer Zeugnis gibt, legt sich fest. Und wer sich festlegt, wird angreifbar. Solange ich mich bei einem Unfall raushalte, kann kein Rechtsanwalt meine Aussage zerpflücken. Wenn der Lehrer sich festlegt und sagt: Das war eine Drei im Gegensatz zur Zwei deines Nachbarn, dann kann der Schüler kommen und mit allerlei Argumenten um seine Note zu kämpfen versuchen.

Das gilt genauso für unser Glaubenszeugnis. Wer sich mit seiner Überzeugung den anderen aussetzt, riskiert Nachfragen, riskiert Gegenargumente und Angriffe. Aber ohne Zeugen des Glaubens kann keiner zum Glauben kommen. Der Glaube lebt vom Zeugnis, wird immer wieder durch das Zeugnis des einen dem anderen weitergegeben. In den seltensten Fällen greift Gott unmittelbar ein.

Eine weitere Schwierigkeit: Wer Zeugnis ablegt und sich damit festlegt, nimmt Partei und läuft Gefahr, ausgeschlossen zu werden von denen, die nicht bereit sind, dieses Zeugnis zu akzeptieren oder wenigstens zu tolerieren. Das ist die Erfahrung eines Schülers, der als Einziger in seiner Klasse noch zum Gottesdienst geht; das ist die Erfahrung eines Vereinsmitglieds, das sonntags noch Wert auf den Kirchgang legt, wenn die anderen alle etwas "unternehmen", wie man zu sagen pflegt. Da fällt es nicht schwer zu verstehen, dass keiner gern ausgeschlossen ist, dass wir es möglichst mit niemandem verderben möchten - obwohl das ja in Wirklichkeit gar nicht geht: Wer's allen recht machen will, kann es letztlich niemandem recht machen, Kein Wunder, dass uns das Glaubenszeugnis nicht leicht fällt!

Aber das kann, das darf nicht das letzte Wort sein! Wie können wir also unser Glaubenszeugnis geben? Wir alle haben doch unsere Erfahrungen mit dem Glauben gemacht, und die können wir erzählen, die können wir weitersagen: Erfahrungen zum Beispiel mit anderen Menschen, die für uns glaubwürdig ihr Christentum leben; oder Erfahrungen, wie mir selbst der Glaube Hilfe und Stütze in meinem Leben geworden ist; Erfahrungen, wo ich etwas erlebt habe, was ich gut fand und was mich beeindruckt hat: ein schöner Gottesdienst, die gute Gemeinschaft in einer kirchlichen Gruppe, ein schönes Gemeindefest... Davon kann man erzählen! Und wir können darauf hinweisen, wo Jesus Christus gegenwärtig ist, wo Menschen in seinem Namen geholfen wird, wo Menschen miteinander christlich leben und beten in einer Gemeinde, wo wir glaubwürdige Christen kennengelernt haben. Darauf hinweisen, das können wir schon manchmal. Und schließlich können wir uns fragen: Wie könnte es denn ausschauen, wenn Christus am Werk ist, bei mir oder bei anderen? Mit so geschärftem Blick können wir aufmerksam werden auf Dinge, die es wert sind, bezeugt zu werden. Und was vielleicht das Wichtigste ist: Ein solcher Blick kann uns so verändern, dass Christus in uns wirken kann. Dann wäre unser eigenes Leben das beste Zeugnis vom Glauben, das es überhaupt geben kann. Der Blick auf unseren Kirchenpatron, den Märtyrer, den Glaubenszeugen Sebastian kann und soll uns dazu ermutigen.

Amen.

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